12. Juli 2020

„Wir alle haben Bock auf Fußball“

Enrico Schleinitz, Leiter des rot-weissen Nachwuchsleistungszentrums im Interview

"Wir alle haben Bock auf Fußball" – Rot-Weiss Essen
Enrico Schleinitz leitet das rot-weisse Nachwuchsleistungszentrum an der Essener Seumannstraße.

Wir haben die Sommerpause genutzt, um mit Enrico Schleinitz über die aktuelle Lage im Nachwuchsbereich zu sprechen. Inwiefern sich der Austausch zwischen Seumann- und Hafenstraße weiterentwickelt hat und warum man am NLZ besser aufgestellt ist denn je, erzählt er im Interview.

Hallo Enrico! Schön, dass du dir die Zeit nimmst.

Gerne! Ich freu mich auch, dass das so wieder möglich ist.

Du sagst es. Mittlerweile ist auf den Plätzen zwar wieder was los. Markierungen und Absperrbänder zeugen aber weiterhin von Arbeit unter besonderen Umständen. Wie ist die Lage im NLZ aktuell?

Es gelten weiterhin besondere Bedingungen für unsere Arbeit am NLZ. Der Betrieb ist immer noch nur eingeschränkt möglich und mit einer Art Einbahnstraßensystem geregelt. Dennoch freue ich mich, dass wir unserer Arbeit vor Ort wieder nachgehen können – fußballspielende Mannschaften, Trainer und Eltern zu unterstützen. Das war in den vergangenen Wochen und Monaten so nicht möglich.

Ein kurzer Blick zurück: Wie seid ihr am NLZ mit dieser besonderen Situation umgegangen?

An dieser Stelle muss man den Trainern und allen Mitarbeitern am NLZ für ihre Arbeit ein riesiges Kompliment machen. Jeder von ihnen hat die Situation ganz früh richtig eingeschätzt. Die Trainer haben mit ihrem Stab frühzeitig, gezielt und von sich aus den Kontakt zu den Spielern gesucht. Da gab es keinerlei Auftrag von unserer Seite. Per Video-Konferenz haben sie den Spielern Aufgaben gegeben und beispielsweise zusammen mit den Athletiktrainern Trainingspläne erstellt. All das hat den Jungs unheimlich gut getan, zu spüren, dass das gesamte NLZ nach wie vor für sie da ist.

Wie war dein Kontakt zu Trainern und Mitarbeitern?

Der Austausch war nach wie vor sehr eng. Alle haben sich ganz besonders reingekniet und diese besonderen Umstände als Chance genutzt, um inhaltlich viel zu bewegen. Es konnten mehr zeitliche Kapazitäten geschaffen und sich so um die inhaltliche Weiterentwicklung und Konzeptionierung von Trainingseinheiten, aber auch Trainerfortbildungen gekümmert werden. Dabei haben die Trainer selbst sehr viele Ideen eingebracht. All das konnten wir in der ersten realen Trainerfortbildung, die nach einem Haufen Zoom-Konferenzen wieder möglich war, dann direkt umsetzen. 

Das klingt nach einer ziemlich guten Ausgangslage für eine bedachte Rückkehr auf den Platz.

Natürlich haben alle Bock auf Fußball und sind heiß darauf, mit ihren Jungs auf dem Platz zu arbeiten. Dafür sind sie schließlich Trainer. Das Konzept ist das Mittel zum Zweck. Es gibt die Richtung vor, in die wir wollen. Am Ende aber wollen unsere Trainer nicht bloß Konzepte, sondern vor allem ihre Spieler und ihre Mannschaften bestmöglich entwickeln. Den Anspruch haben wir bei Rot-Weiss Essen aber natürlich schon vorher gehabt und nicht erst jetzt beschlossen: Lasst uns mal anständig arbeiten (lacht).

Seit ein paar Wochen ist die Anlage von der Stadt wieder freigegeben. Eine Anlage, auf der sich im Zuge des Lizensierungsverfahrens als offizielles Nachwuchsleistungszentrum einiges getan hat, nicht wahr?

Ohne Frage! Das Lizensierungsverfahren ist in erster Linie eine Art Hebel für das NLZ gewesen, um Prozesse anzustoßen. Wir als Verein Rot-Weiss Essen konnten in diesem Zuge einige Prozesse weiter strukturieren und uns noch professioneller organisieren. Ein Regionalligist, der sich ein offizielles Nachwuchsleistungszentrum leistet, ist keine Selbstverständlichkeit. Das Lizensierungsverfahren des DFB ist grundsätzlich für Erst- und Zweitligisten konzipiert. Und das ist das Niveau, an dem wir uns orientieren. Die Art und Weise wie wir unsere Jungs entwickeln, wie wir spielen, den Anspruch den wir verglichen mit anderen Nachwuchsleistungszentren haben, ist auf Top-Niveau.

Was hat sich strukturell konkret getan?

Durch die Zertifizierung wird vom DFB ein hohes Qualitätsniveau vorgeschrieben. Man kann sagen, der DFB hat uns die Wichtigkeit mancher Bereiche aufgezeigt. Wir haben das Personal aufgestockt, den Athletikbereich gestärkt, Sportpsychologen mit ins Boot geholt und die Infrastruktur mit einem neuen Kunstrasen- und Kleinfeldplatz ausgebaut. Zudem entwickeln wir mit neuen Kooperationen, wie der Universitätsmedizin, das Umfeld vom NLZ weiter.

Man hat den Eindruck, dass auch mit der Entwicklung des Sportdirektorpostens als hauptamtliche Tätigkeit vieles richtig entschieden wurde – gerade im Bezug zur Nachwuchsarbeit. Siehst du das ähnlich?

Definitiv. Der Verein ist als ganzheitliches Konstrukt viel mehr existent. Dass das Thema Jugend immer mit im Fokus steht, daran hat Jörn (Nowak) großen Anteil. Er sucht intensiv den Kontakt zum NLZ, nimmt an jeder Trainerfortbildung teil und ist im wöchentlichen Austausch mit Mannschaften und Trainern. Am neuen Individualtraining hat Jörn von Anfang an inhaltlich mitgearbeitet. Diese Entwicklung ermöglicht uns einen intensiveren Austausch mit dem Seniorenbereich und schafft die Rahmenbedingungen, um das Heranführen von Nachwuchsspielern an die 1. Mannschaft zu verbessern. Das kann der Entwicklung der Spieler und der des gesamten Vereins in Gänze nur gut tun.

Wie lässt dich die Entwicklung des NLZs und die des gesamten Vereins nach vorn schauen?

Sehr positiv. Das lässt sich ein Stück weit schon an unserer diesjährigen Übernahmequote festmachen. Die zählt gerade von U17 in U19 zu den höchsten, die wir bei Rot-Weiss Essen je hatten und belegt die erfolgreiche Arbeit hier im NLZ. Wir versuchen bei der Entwicklung der Spieler immer auf einen Dreiklang zu achten aus Technik, konditionellen Fähigkeiten und Persönlichkeit. Was alle Rot-Weissen dabei haben müssen ist Mut, auch mal mit Risiko reinzugehen, Selbstbewusstsein zu haben, nicht zurückzustecken. Diese Mentalität zeichnet uns aus. Wir wollen durch die Weiterentwicklung in allen Bereichen auch sportlich daraus profitieren, und so mit unserer Arbeit zur Attraktivität des gesamten Vereins beitragen.

Das macht nur noch mehr Lust darauf, dass der Fußball bald endlich zurückkommt…

Ich denke, dass im gesamten Verein eine gewisse Aufbruchsstimmung zu spüren ist.

Nach viel Stagnation in den letzten Jahren – gerade auch tabellarisch – soll der nächste Schritt kommen. Das war in den letzten Jahren natürlich ähnlich. Mittlerweile hat sich aber viel getan. Man hat das Gefühl man ist diesmal näher dran.