31. Juli 2019

Wer ist eigentlich…Amara Condé

Der rot-weisse Neuzugang im Porträt.

„Ich bin ein sehr ekelhafter Spieler. Es wird immer so sein, dass ich irgendwem auf die Füße trete oder hier mal ziehe, da mal zwicke. Ich bin auch nicht der Allergrößte, da musste ich andere Wege finden.“ Das sagt Amara Condé über sein Verhalten auf dem Platz und ließ beim ersten Saisonspiel gleich eindrucksvoll Taten folgen – inklusive einem direkt verwandelten Freistoß vor der Westtribüne als Sahnehaube. Als er sich selbst beschreiben soll, fallen aber Worte wie ehrlich, offen, fröhlich, positiv verrückt. Wer ist der neue dribbelstarke Achter, den Christian Titz aus der Wolfsburger U23 geholt hat?

Wer für Rot-Weiss Essen spielen will, muss einiges einstecken können. Amara Condé hat das schon als Kind gelernt. Trotz erstklassigem Doktortitel und besten Voraussetzungen findet sein Vater keine Arbeit. Es war schon bald an der Zeit, Sachsen zu verlassen.

Die Familie zieht nach Bergisch Gladbach bei Köln, der Vater wird in der Gegend Umweltberater. Amara ist ein „extremer Familienmensch“, sieht seine Profikarriere bis heute vor allem als Möglichkeit, seinen Eltern in Stolz zurückzuzahlen, was sie in den letzten 22 Jahren für ihn gegeben haben. Die Familie kommt immer noch zu jedem Spiel – wenn die Brüder nicht selbst ranmüssen. Sie sind 13 und 15 und spielen beim SV Bergisch Gladbach 09. Sie sind jetzt groß genug, dass die Mutter neben der Familie auch wieder als Sozialpädagogin arbeiten kann.

Denn nach dem Umzug schließt sich Amara schon 2006 der Jugendabteilung von Bayer Leverkusen an, da ist er noch keine zehn Jahre alt. Von da an geht es steil bergauf: 2012 wechselt er zum VfL Wolfsburg, in deren zweiter Mannschaft er 2016 sein Herrenfußballdebüt in der Regionalliga Nord gibt. In der Saison darauf bekommt er die Chance, sich auf Leihbasis bei Holstein Kiel in der zweiten Bundesliga zu beweisen. Kiel ist als Aufsteiger auf Sensationskurs und wird Herbstmeister. Dort bekommt er zuerst wenig Einsatzzeiten, aber nach einer guten Leistung als Einwechselspieler in der Vorwoche ist es im Februar 2018 so weit: Amara gibt gegen den 1. FC Kaiserslautern sein Startelfdebüt im Unterhaus.

Doch der bisherige Höhepunkt seiner Karriere wird tragischerweise auch der größte Knick. In einem unauffällig aussehenden Zweikampf steigt ihm sein Gegenspieler auf den Fuß, drückt sich ab – der linke Mittelfußknochen ist durch. Die erste ernsthafte Verletzung seiner Karriere, wie Amara sagt. Eigentlich sorgt er viel vor, ist er extrem belastbar, hat einen robusten Körper, der nicht so leicht nachgibt. Gegen den Stahlstollen auf dem Stiefel kommt aber auch er nicht an. Es ist der schwerste Moment seiner jungen Karriere.

Amara wird zwar schneller wieder fit als gedacht – zum Einsatz kommt er aber nicht mehr. Holstein Kiel spielt bis zum Ende um den Aufstieg in die erste Bundesliga mit und scheitert erst in der Relegation. In der heißen Phase der Saison ist keine Zeit für Experimente. Die Leihe läuft im Sommer 2018 aus und Amara kehrt für ein Jahr nach Wolfsburg zurück.

In der zweiten Mannschaft lernt er auch einige Spieler kennen, die er später an der Hafenstraße wiedertreffen sollte. Jakob Golz steht damals im Tor der U23 des HSV, Ayodele Adetula spielt „um die Ecke“ bei Eintracht Braunschweig und Joshua Endres für Leipzig – die beiden kennen sich aber auch von den deutschen U-Nationalmannschaften.

Nach dem viel zu kurzen Abenteuer in der 2. Liga ist aber natürlich der Hunger geweckt, in die Bundesliga zurückzukehren – eine Sehnsucht, mit der Amara in Essen sicher nicht allein ist. Das ist zwar ein kleiner Umweg, doch das schon fast zur Phrase verkommene „Projekt Rot-Weiss Essen“ scheint auch nach außen gut anzukommen.

„Ich werde nie sauer – außer auf’m Platz“

Amara Condé ist ein herzlicher Mensch, der erst einmal mit jedem auskommt, wenn der das denn auch will. Er wird beinahe nie sauer – „außer auf’m Platz“. Hier treibt ihn ein extremer Ehrgeiz an, er sagt von sich, er könne nicht verlieren, nimmt jede Niederlage als Ansporn, besser zu werden. Wenn gegnerische Fans ihn auspfeifen, dreht er richtig auf. Dass das bei RWE bei weniger guten Leistungen auch schon mal von den eigenen Anhängern drohen kann, weiß Amara aber genauso.

Er spricht von Demut gegenüber einem großen Verein, die in der Mannschaft herrscht, von „Arsch aufreißen“. Besonders angesichts der bekannten, langjährigen „Liga-Situation“. Die hat aber auch einen Vorteil: „In der zweiten Liga merkst du noch: Wenn du einmal ein bisschen zupfst und der lässt sich fallen, ist das immer Freistoß. Das ist in der dritten, vierten Liga schon ein bisschen besser, da spielst du noch den echten Fußball.“

Als er an die Hafenstraße kommt, um seinen Vertrag zu unterschreiben, weiß er also, worauf er sich einlässt. Er weiß aber nicht, wen er gleich am ersten Tag treffen würde. Bei der Unterzeichnung sagt man ihm, dass ein Kumpel von ihm auch hier sei. Erst als er den Rasen des Stadions betritt, um das Foto für seine Vorstellung zu machen, trifft er Jan Neuwirt, mit dem er noch wenige Wochen zuvor in Wolfsburg zusammengespielt hatte. Die beiden beziehen bis kurz vor Saisonbeginn übergangsweise eine WG mit Jakob Golz.

In den ersten, harten Trainingswochen ist hier an große Unternehmungen nicht zu denken. Sie vertreiben sich die Zeit mit FIFA an der Konsole – und „zerstören sich“ vor allem bei vielen Runden Uno. FIFA zu dritt ist mittelfristig einfach nichts. Ein „dauerhaftes Trainingslagergefühl“ nennt Amara das. Manch anderer kennt das vielleicht vor allem von Klassenfahrten – viel Spaß, viel Scheiße bauen. Auch mit den anderen Spielern ist das Verhältnis gut, das Mannschaftsgefüge „mega“.

„Laufstark, dribbelstark, zweikampfstark“ nennt Amara selbst sein Spiel. Er hat in seiner Karriere schon auf fast allen Verteidigerpositionen gespielt, auch im defensiven Mittelfeld. Zuhause fühlt er sich aber auf der Acht, als klassischer „box-to-box“ Mittelfeldspieler, der von Strafraum zu Strafraum rennt, Defensive und Offensive verbindet. Oder wie Amara es augenzwinkernd sagt:

„Ich habe richtig Bock drauf gegen den Ball zu treten und ein paar Leute umzugrätschen.“

Die RWE-Fans werden ihn sicher nicht davon abhalten.