2. Dezember 2019

Wer ist eigentlich … Jan Neuwirt

Sommerneuzugang Jan Neuwirt im Porträt.
Sommerneuzugang Jan Neuwirt im Porträt.

Der rot-weisse Defensivspieler im Porträt.

Jan Neuwirt wird 1998 im Landkreis Gifhorn bei Wolfsburg als Rennfahrer geboren. Sein Vater ist Kfz-Mechaniker und hat schon bei den 24 Stunden vom Nürburgring geschraubt. Die Werkstatt ist wie ein Abenteuerspielplatz mit Motoröl-Geruch. Zusammen mit Jans Onkel schraubt er hier auch ständig am eigenen Kart herum, am Wochenende geht es auf die Piste. Bald ist auch der Junior mit einem eigenen Bambini-Kart dabei und rast mit über 50 Sachen die Strecke entlang, bevor er lesen und schreiben kann.

Doch Jan ist nicht erst diesen Sommer mit dem Kart von der Strecke abgekommen und aus der Dorfidylle bei Gifhorn versehentlich nach Essen gedüst. Im Garten ist viel Platz zum Ballspielen und das hat Folgen. Die Grundlagen des Vereinsfußballs erlernt Jan dann auch schon vor der Grundschule beim SV Grün-Weiß Calberlah, wo sein bester Kumpel bis heute spielt. Er wohnt damals nur wenige Straßen entfernt und ist bis heute Jans stärkste Verbindung zur seiner „alten Truppe“, mit der alles anfing.

Auf der Grundschule schon, mit neun oder zehn Jahren, ist es für Jan Zeit, sich zu entscheiden: Fußball und Rennsport kommen sich immer mehr in die Quere, die Spiele der Kreis- und Landesauswahlen sind meist am Wochenende, genau wie die Rennen. Die Rennstrecke wird nun zum eher seltenen, willkommenen Ausgleich zum Fußballplatz, wo er mehr und mehr Zeit verbringt – heute ist es sein Hobby neben dem Beruf Fußball. Zwei bis drei Mal im Monat ist Jan auf der Strecke. Wie in seiner Laufbahn dominiert auch in seinem  Wohnzimmer der Fußball vor dem Motorsport, den er aber bis heute mit Spannung verfolgt. „Mehr DTM als Formel 1, weil da mehr passiert.“

Die Entscheidung soll sich lohnen: Nach einem Probetraining beim VfL Wolfsburg wechseln Jan und sein bester Freund in der U14 zum Volkswagen-Verein. Jan setzt sich dort schnell durch –sein bester Freund wird früh durch eine schwere Verletzung bei einem Hallenturnier zurückgeworfen. Er geht zurück in den Amateursport, schlägt einen Lebensweg mit normalem Beruf ein und bleibt auf dem Dorf. Obwohl man meinen könnte, das seien tragische Ereignisse, klingt auch ein bisschen Wehmut aus Jans Stimme, als er davon erzählt: „Städte sind schon schön. Aber ich bin eigentlich ein Dorfmensch, ich mag es ein bisschen ruhiger.“

Bis zur U15 bleibt Jan auf seinem Gymnasium in Gifhorn, danach wechselt er auf die Kooperationsschule des VfL. Wer vier Mal die Woche trainiert, weiß die kürzeren Wege zu schätzen. Seine Eltern stärken ihm bei dieser Entscheidung wie so oft den Rücken. Auf der neuen Schule wird er für das Training freigestellt und kriegt nachmittags Nachholunterricht – die Lehrer sind selbst Fans der Wölfe und übernehmen die Aufgabe mit viel Freude. Was für ein Schüler Jan war? „Für’s Abitur hat’s gereicht“, sagt er grinsend.

Danach macht er eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei einer Volkswagen-Tochterfirma. „Ein Studium hätte ich in Wolfsburg als Fernstudium machen müssen. Und das ist gar nicht meins. Ich kann mir nicht nur den ganzen Tag alleine Sachen beibringen.“ Die Ausbildungsstelle vermittelt der Verein. „Im Nachhinein bin ich auch sehr froh, dass ich damit nicht noch ein halbes Jahr gezögert habe. Dann hätte ich eh nicht mehr angefangen.“

Beim Fußball läuft es auch nicht schlecht. Durch alle Jugendmannschaften hindurch spielt Jan als Kapitän auf seiner Stammposition im zentralen defensiven Mittelfeld. Wie man ihm ansieht, ist er dabei weniger der bullige Abräumer vor der Abwehr, sondern eher ein tief stehender Spielmacher mit großen Ambitionen im Ballbesitz. In der Jugendzeit lernt er auch Amara Condé kennen, der schon eher mal etwas rustikaler den Ballbesitz erwirkt. Er spielt einen Jahrgang über Jan, ab der U19 bilden die beiden dann ein Mittelfeld-Duo.

In der U17 und U19 gibt es mit großen Turnieren in China und einer Einladung nach Katar „im Gepäck“ der Herrenmannschaft für die Jugendspieler dann auch einiges zu erleben, bevor in der U23 das Abenteuer Profifußball endgültig beginnt. Für den „VfL Wolfsburg 2“ spielt Jan ab 2017 insgesamt eineinhalb Jahre in der Regionalliga Nord, mit einer kleinen Pause, als er in der Hinrunde 2018/2019 per Leihe für den Ligakonkurrenten Lupo-Martini Wolfsburg aufläuft. In der Rückrunde steht er dann in der Aufstiegsrelegation gegen die zweite Mannschaft des FC Bayern bei beiden Spielen in der Startelf des VfL. Das erste Spiel gewinnen die jungen Wölfe zuhause noch mit 3:1, doch nach einem 4:1 im Rückspiel in München platzt der Aufstiegstraum, doch es zeichnet sich schon eine neue Herausforderung ab.

Nach den ersten Gesprächen ist er ziemlich angetan von Rot-Weiss Essen, auch Stadion und Strukturen sind für den jungen Kicker beeindruckend – das gibt es zwar in Wolfsburg auch, aber die Aufmerksamkeit gilt natürlich dem Bundesligateam. In Essen sind alle Augen auf ihn gerichtet.

Dazu muss er leider aus der gemeinsamen Wohnung mit seiner Freundin ausziehen. Durch die enge Bindung zu Jans Familie lassen sich die Fahrten aber gut aufteilen, sodass die Treffen nicht zu selten werden. So auch schon bei der Vertragsunterschrift, zu der Jan mit Vater und Freundin anreist.

Als die drei dann mit Jörn Nowak mit dem Aufzug zu den Logen hochfahren, um den Vertrag zu unterzeichnen, teilt er sie unerwartet auf. Der Sportdirektor schickt Jan allein durch die nächste Tür, geht mit der Familie in einen Nebenraum. „Und dann geh ich in den Raum rein und seh‘ auf einmal Amara und frag‘ ihn nur: Was machst du denn hier? Und er sagt: Ich unterschreib‘ jetzt. Und ich sag: Ich auch! So witzig, wie es klingt, war es auch. Völlig unerwartet.“

In Essen sind sie zwei der jüngeren Spieler im Kader. Der ein Jahr ältere Amara ist unumstrittene Stammkraft, doch auch Jans Einsätze werden mehr. Von Frust keine Spur: „Ich gebe immer 100 Prozent oder mehr, um auch für mich besser zu werden. Wenn du alles gibst, wird es immer irgendwann belohnt.“ Und auch das Teamgefüge hilft: „Wenn auch jeder, der nicht so viel spielt, hart trainiert, ist das ja auch positiver Druck für die, die spielen. Der Trainer zeigt uns sehr klar seine Linie auf und erklärt viel, auch die anderen Trainer reden sehr viel mit uns. Da gibt es keine klare Trennung, Trainer und Spieler sind zusammen das Team. Ich bin ein Mensch, der das bevorzugt, wenn man viel miteinander redet und sich Sachen aufzeigt. Das ist nicht bei jedem Trainer so. Wenn man nicht nur gesagt bekommt, was gut und was schlecht war. Sondern auch warum und wie man es besser machen kann.“

Jan ist eben ein Familienmensch: Er funktioniert in einer harmonischen Umgebung besten.