30. August 2020

„Was ein geiler Verein!“

Jonas Behounek: Seit dieser Saison für Rot-Weiss Essen auf dem Feld.
Jonas Behounek: Seit dieser Saison für Rot-Weiss Essen auf dem Feld.

RWE-Neuzugang Jonas Behounek im Portrait

Er war auf einer DFB-Eliteschule, zum Trainingslager mit dem Hamburger SV in Dubai, ist für die deutsche Junioren-Nationalmannschaft aufgelaufen und hat sich im Eins-gegen-Eins mit Samuel Eto`o gefragt, wie man den Kerl eigentlich verteidigen soll. Was klingt wie der Traum eines jeden Bolzplatzbesuchers, hat ein gebürtiger Kaltenkirchener mit gerade einmal 22 Jahren bereits erlebt. Seit dieser Saison an der Hafenstraße: Willkommen, Jonas Behounek.

Wenn man bei einem Polizeibeamten im Auto sitzt, steht es für gewöhnlich nicht allzu gut um einen. Auch wenn er es selbst bescheiden umschreibt: Gewöhnlich war es um den Fußballer Jonas Behounek nicht immer. Geboren und aufgewachsen im norddeutschen Kaltenkirchen schloss sich Behounek bereits mit vier Jahren dem Heimat- und Dorfverein ein. Anfangs als mit Abstand Jüngster unter Siebenjährigen durchlief Behounek jede Ebene bis in die C-Jugend. Und hier kommt die Polizei ins Spiel.

Ein Kaltenkirchener Polizeibeamter ging in seiner Freizeit dem Ehrenamt des D-Jugendfußballtrainers bei der Eintracht aus Norderstedt nach. Und manchmal auch außerhalb der Freizeit. "Während eines Samstagsdienstes fuhr er Streife am Fußballplatz in Kaltenkirchen und hat sich ein bisschen umgeschaut. So kam es zu meinem Wechsel nach Nordersted und Fahrten mit der Polizei.

Mehrfache Umschulung

Nach einem Jahr bei Eintracht Norderstedt wechselte Behounek in die Jugend vom Hamburger SV und schließlich auch auf die Hamburger Eliteschule des DFB. „Anders als in Kaltenkirchen war ich in Hamburg dann einer von vielen. Das fand ich schon besser.“ Jonas Behounek steht nicht gern im Mittelpunkt. Und seit seiner Zeit in der Jugend des HSV auf dem Platz auch nicht mehr drauf. Sein damaliger Jugendtrainer und Förderer beim HSV, Daniel Petrowsky, schulte Behounek vom zentralen Mittelfeldspieler zum Rechtsverteidiger um. „Das Spiel von rechts hinten hab ich vorher noch nie gesehen. Wie weit der linke Flügel eigentlich weg sein kann, das war schon Neuland.“

DFB-Eliteschule und Jugend-Nationalspieler

Neu war auch die Schule – eine DFB-Eliteeinrichtung. „In meiner Klasse dort waren noch andere vom HSV, Volleyballer, Hockey-, Tennisspieler. Wir hatten auch einen Jiu-Jitsu-Kämpfer bei uns in der Klasse. Der war mal weg und saß zwei Tage später als Weltmeister wieder neben dir in Mathe. Das war schon verrückt.“

Und das erzählt ein 22-jähriger, der sein Land in seiner Sportart selbst repräsentiert hat. „Mein erstes Länderspiel hatte ich zwei Tage vor meinem 15. Geburtstag gegen die Niederlande. Als da die Nationalhymne lief, da schießt es einem ganz schön durch den Körper. Du stehst dann da und denkst dir: Alter, was mach ich hier gerade!? Es ist unter der Woche, deine Mitschüler sitzen in Mathe und du läufst gerad für Deutschland auf.“

Oder fliegst mit Markus Gisdol und den Profis des Hamburger SV ins Trainingslager nach Dubai. Bruno Labbadia musste seine Sachen zu ungefähr diesem Zeitpunkt zwar auch packen, nicht aber um ins Trainingslager zu fliegen. Das übernahm sein Nachfolger. „Letztes Jahr in Hoffenheim hab ich Markus Gisdol noch bepöbelt und jetzt trainiert er mich. Das war verrückt.“ Für Behounek eine Erfahrung mehr mit solchen „gewaltigen Trainertypen“ wie einem Gisdol oder Labbadia.

Profikaliber

Die neu angelernte Position des rechten Außenverteidigers teilte sich Behounek im Dubaier Trainingslager mit Denis Diekmeier und HSV-Kapitän Go Sakai – bei weitem nicht die einzigen Bundesligastars, mit denen Behounek in dieser Zeit zusammen auflief. „Lewis Holtby, Rene Adler, Michael Gregoritsch. Da kann man gerade Autofahren und steht auf einmal neben solchen Kalibern in der Kabine.“ Bei allem Respekt vor den genannten HSV-Profis, auf dem Platz begegnete dem Jugendspieler dann doch nochmal ein anderes Kaliber.

Im Rahmen eines Testspiels ging es für Behounek gegen den türkischen Erstligisten Antalyaspor. Diese hatten erst kürzlich einen neuen Stürmer verpflichtet, einen viermaligen Championsleague-Sieger und ehemaligen Star vom FC Barcelona und Inter Mailand. „Du hast deine Kindheitsidole vom HSV gerade so eben verarbeitet und das ist Samuel Eto`o. Das war defintiv besonders.“ 

Behounek erzählt mit einer solchen Begeisterung von jeder seiner Erfahrungen. Vom „goldenen 97/98er-Jahrgang“ seines Heimatvereins in Kaltenkirchen“, berichtet Behounek ebenso euphorisch wie vom Trainingsspiel gegen einen Samuel Eto`o. In jedem seiner Satz schwingt eine gute Portion Dankbarkeit mit, dafür, diese Erfahrungen machen und dieses Leben führen zu dürfen.

Dritte Liga und Rot-Weiss

Mit seinem Wechsel zur SG Sonnenhof Großaspach kam für Behounek Erfahrungen in der 3. Liga hinzu. „Gerad mir als jungem Spieler tat diese Zeit sehr gut. Das alles hat mir geholfen mich vorzubereiten auf eine größere Stadt mit mehr Zuschauern und mehr Druck.“ Das bekommt Behounek in Essen – seit dieser Saison seine neue Heimat. „Ich hab die Großstadt schon vermisst“, beichtet Behounek. Die Großstadt ist dem ehemaligen Wahl-Hamburger ebenso wenig fremd, wie seine neue sportliche Heimat und ein gewisser Mitspieler.

Schon in Hamburg drückte er die Schulbank gemeinsam mit Jakob Golz. „Seit ich mit 14 zum HSV kam, hängen Jakob und ich gefühlt aufeinander. Kurz vor Schulbeginn um 7.30 Uhr haben wir uns Hallo gesagt  – Schule, Training – bis es um 20.00 Uhr wieder Tschüss hieß.“ Der Kontakt zwischen den beiden Rot-Weissen riss auch dann nicht ab, als sich die Wege zwischenzeitlich trennten. Es lockte jedoch nicht bloß Golz, sondern schon damals die Hafenstraße.

„Letztes Jahr habe ich Jakob zwei Mal in Essen besucht und war beide Male auch bei Heimspielen an der Hafenstraße. Gegen Lotte und Köln II. Und dann sitzt du da. 90. Minute. Und RWE schießt das 2:1. Da hab ich gemerkt: Poah, hier geht’s ab! Was ein geiler Verein.“

Wie sehr man es vermissen kann, vor einer 10.000-köpfigen Kulisse Fußball zu spielen, weiß Behounek aus seiner Drittligazeit. „So besonders ist das ohne Zuschauer gar nicht.“ Der 22-jährige scheint die Rückkehr der Fans herbeizusehnen wie wohl jeder rot-weisse Tribünengast selbst. „Ich möchte viel erreichen, aber ich möchte auch viel erleben. Ob Titel, wie den Landespokal, oder auch einen Aufstieg. Das zu erleben, mit so einem Umfeld. Das ist ein ganz besonderes Ziel.“