6. September 2016

Vor 50 Jahren: Bundesligapremiere mit Derbysieg an der Hafenstraße

Als 1963 die Bundesliga begann, fehlte mit Rot-Weiss Essen der erste DFB-Pokalsieger und Deutsche Meister der Nachkriegszeit aus dem Fußball Westen. Der Abstieg aus der Oberliga West 1961 – der damals höchsten Spielklasse – hatte aufgrund des Qualifizierungsschlüssels eine Bewerbung um einen Bundesligaplatz unmöglich gemacht. In der neu strukturierten Fußball-Landschaft spielte RWE in der Regionalliga West, die damals den Bundesliga-Unterbau bildete.

Am Ende der Spielzeit 1963/1964 landete RWE auf einem enttäuschenden 10. Tabellenplatz. In der folgenden Spielzeit reichte es mit einem ausgeglichenen Punktekonto zum 7. Platz. Die Unzufriedenheit über die Fußballmagerkost der letzten Jahre drückte die WAZ nach dem letzten Spieltag aus: „Essens Fußballfreunde erlebten erneut eine bescheidene Saison, aus der Mannschaft muss einfach mehr herausgeholt werden.“ Diese Aufgabe wurde Fritz Pliska übertragen, der den glücklosen Fred Harthaus auf der Trainerbank ablöste. Mit ihm kam der Erfolg an die Hafenstraße zurück. Im dritten Anlauf erreichte das RWE-Team am Ende der Saison 1965/66 endlich den zur Teilnahme an der Bundesliga-Aufstiegsrunde berechtigenden zweiten Tabellenplatz hinter Fortuna Düsseldorf. Mit einer Serie von vier Siegen in der Aufstiegsunde gelang vor dem punktgleichen FC St. Pauli im Juni 1966 der Bundesligaaufstieg. Nach fünf Jahren Abstinenz war RWE wieder erstklassig.

Legendärer Bundesligaauftakt

Bei den Bundesligapremierenspielen an der Hafenstraße schnalzten die RWE-Fans mit der Zunge: Schalke 04, Hamburger SV, Bayern München, Hannover 96 und Borussia Mönchengladbach hießen die Auftaktgegner. Am 27. August 1966 – heute vor 50 Jahren – rollte endlich die Bundesliga-Lederkugel im Georg-Melches-Stadion. Im ersten Heimspiel kam es direkt zum Vergleich mit dem ewigen Rivalen Schalke 04. In der 65. Minute schoss RWE-Eigengewächs Heinz-Dieter Hasebrink das erste rot-weisse Bundesligator zum 1:0. Wie entfesselt spielten die Essener und kamen in den letzten zehn Spielminuten mit drei weiteren Toren zu einem 4:1 Erfolg. Zwei Wochen später gab es ein 1:1 Unentschieden gegen den Hamburger SV. Erneut war Heinz-Dieter Hasebrink erfolgreich. Und seine Treffsicherheit setzte er im nächsten Heimspiel beim 3:1 Sieg gegen den FC Bayern fort. Bayern-Trainer Tschik Cajkowski erkannte die Essener Heimstärke neidlos an: „Meine Mannschaft hat gut gekämpft, aber die bessere hat gewonnen.“

Ebenso deutlich hatte Hannover 96 mit 0:3 keine Chance an der Hafenstraße. Dabei erzielte Willi Lippens seine ersten beiden Bundesligatore im Georg-Melches-Stadion. Absoluter Höhepunkt war der 2:1-Erfolg über Hennes Weisweilers Fohlenelf aus Mönchengladbach. Bis kurz vor Spielende stand es 1:1, ehe erneut Heinz-Dieter Hasebrink mit dem Schlusspfiff das Siegtor erzielte. Nach zehn Spieltagen lag der Neuling mit 12:8 Punkten auf dem vierten Platz und auch nach 12 Spieltagen, als Rot-Weiss sich mit 14:10 Punkten immer noch in der Spitzengruppe befand, träumte so manch einer von höheren Zielen.

Auswärts kam die Mannschaft dagegen nicht in Schwung, das 0:0 beim Europapokalsieger Borussia Dortmund und der 1:0 Sieg beim Karlsruher SC waren zwei der wenigen Erfolgserlebnisse.
Verletzungspech führt zu einer langen Durststrecke Am 13. Spieltag zerstörte Werder Bremen mit einem 1:0 Sieg den rot-weissen Heimnimbus. In einem harten Spiel zog vor allem Nationalspieler Lorenz mit seinen ständigen Foulspielen den Zorn der RWE-Fans auf sich. Flaschen und Dosen flogen auf das Spielfeld, die Polizei musste einschreiten. Es folgte die Auswärtspartie beim TSV 1860 München, in der der bis dahin mit 7 Toren und 3 Torvorlagen erfolgreichste Essener Spieler Heinz-Dieter Hasebrink nach 10 Minuten verletzt ausschied und insgesamt 15 Spieltage fehlen sollte. Eine Wechselmöglichkeit gab es damals noch nicht. Dezimiert musste RWE in der 21. Minute den Treffer zum 0:1 Endstand hinnehmen.

RWE durchlief bis zum 26. Spieltag eine Durststrecke ohne einen einzigen Bundesligasieg. Mit Heinz-Dieter Hasebrink, Helmut Littek und Eckehard Feigenspan standen die erfolgreichen Torjäger der vorangegangenen Jahre monatelang nicht zur Verfügung, der junge Willi Lippens hatte seine große Zeit noch vor sich. Der Kader schien für die Bundesliga insgesamt zu klein und das zerrte an der Substanz. Nur noch einmal konnte am 18. März 1967 mit 3:1 gegen den Karlsruher SC gewonnen werden, was kurzzeitig noch einmal das Verlassen der Abstiegsplätze bedeutete. Immerhin spielte in der Rückrunde RWE gegen die Reviernachbarn jeweils 1:1 unentschieden. Als Eintracht Braunschweig am vorletzten Spieltag im Georg-Melches-Stadion mit einem 0:0 die Meisterschaft für sich entschied, bedeutete das zugleich den Abstieg für Rot-Weiss.

Wiederaufstieg im zweiten Anlauf 1969

Erklärtes Ziel war die sofortige Rückkehr in die Bundesliga, die 1968/69 unter Trainer Erich Ribbeck in der Aufstiegsrunde knapp verpasst wurde. Ein Jahr später führte Interimstrainer Willi Vordenbäumen die Essener als erste Mannschaft der Aufstiegsrunden ohne Niederlage mit 14:2 Punkten zum zweiten Mal in die höchste deutsche Spielklasse.

Die wohl beste Essener Mannschaft seit der Meisterelf von 1955 hatte die Aufstiegsrunde so eindrucksvoll dominiert wie noch kein Team zuvor. In acht Spielen erzielten die RWE-Spieler 28 Tore, einsamer Torschützenkönig wurde Willi Lippens mit zehn Treffern.

Georg Schrepper