29. Mai 2021

„Unglaubliche Entwicklungsschritte möglich“

Ab Sommer ist Vincent Wagner U19-Trainer an der Seumannstraße. (Foto: Poerting)
Ab Sommer ist Vincent Wagner U19-Trainer an der Seumannstraße. (Foto: Poerting)

Der neue U19-Coach Vincent Wagner im Interview.

Ex-Kapitän Vincent Wagner kehrt nach Stationen im Nachwuchsbereich beim VfL Bochum und MSV Duisburg als U19-Trainer zu "seinem" Verein Rot-Weiss Essen zurück. Der 35-Jährige ist eng mit RWE verbunden, wohnt in Bergeborbeck, nur fünf Minuten vom Stadion entfernt. Im Interview spricht Wagner über Höhen und Tiefen an der Hafenstraße, seinen Job als Gymnasiallehrer und die neue Aufgabe bei der U19.

Herzlich willkommen zurück, Vincent! Wie groß ist bereits die Vorfreude, künftig als Cheftrainer der U19 in der West-Staffel der A-Junioren-Bundesliga für Deinen "Herzensverein" Rot-Weiss Essen zu arbeiten?
Als Christian Flüthmann, der neue Leiter des RWE-Nachwuchsleistungszentrums, und Sportdirektor Jörn Nowak angefragt hatten, war ich sofort Feuer und Flamme. Ich liebe den Fußball und ich liebe es, mit jungen Erwachsenen zu arbeiten. 

Du kamst 2007 vom Verbandsligisten Eintracht Schwerin zum damaligen Zweitliga-Absteiger RWE, bist seitdem eng mit dem Verein verwurzelt. Was bedeutet Dir Rot-Weiss Essen?
Wenn man in sieben Jahren als Spieler alle Höhen und Tiefen bei einem Klub miterlebt hat, dann geht das nicht spurlos an einem vorbei. Es war alles dabei: Drohendes Karriereende wegen einer schweren Verletzung, Insolvenz, Ab- und Aufstieg, dazu Erfolge im DFB-Pokal. Eine wahnsinnig intensive Zeit. Ich habe seitdem meinen Lebensmittelpunkt in Essen, lebe mit meiner Frau und unseren drei Kindern in Bergeborbeck, nur fünf Minuten vom Stadion entfernt.

Mit der Insolvenz 2010 und dem Absturz in die damalige NRW-Liga hast Du auch den absoluten Tiefpunkt der RWE-Vereinsgeschichte miterlebt. An welche Momente erinnerst Du Dich auf der anderen Seite besonders gerne?
Die Erfolge im DFB-Pokal gegen die damaligen Zweitligisten FC Energie Cottbus und 1. FC Union Berlin, bei denen ich jeweils den entscheidenden Elfmeter verwandelt hatte, bleiben unvergessen. Der Wiederaufstieg von der fünftklassigen NRW-Liga in die Regionalliga West, bei dem rund 4.000 RWE-Fans mit nach Siegen fuhren und uns gegen die Sportfreunde unterstützt hatten, war ebenfalls nicht ohne. Auch die Momente im Stadion, die Siege, die ich mit unserer damals noch kleinen Tochter Vivienne auf den Schultern oder auf dem Arm feierte, werde ich nie vergessen.

Du hattest beim FC Kray als Co-Trainer der U19 begonnen. Nur zwei Jahre und vier Monate später warst Du bereits Co-Trainer der Profis beim Zweitligisten VfL Bochum. Wie hast Du das hinbekommen?
Der VfL Bochum suchte damals einen Co-Trainer für seine U19, die von NLZ-Leiter Jens Rasiejewski betreut wurde. Ich wurde genommen und wir waren recht erfolgreich. Wir waren Tabellenführer in der A-Junioren-Bundesliga West, hatten von den ersten neun Partien sieben gewonnen und zweimal Unentschieden gespielt. Bei den VfL-Profis lief es damals nicht gut und ich bekam während eines Seminars einen Anruf – mit der Bitte, sofort nach Bochum zu kommen. Im VfL-Büro standen der damalige Sportliche Leiter Christian Hochstätter sowie Heiko Butscher und Jens Rasiejewski. Mir war sofort klar, dass Profi-Cheftrainer Ismail Atalan gehen musste. Rasiejewski, der als Nachfolger präsentiert wurde, wollte mich unbedingt dabeihaben. So wurde ich mit 31 Jahren Co-Trainer einer Zweitliga-Mannschaft.

Was konntest Du von Deinem ehemaligen "Chef" Jens Rasiejewski mitnehmen?
Jens Rasiejewski, der zuvor drei Jahre U17-Trainer bei der TSG Hoffenheim war, hat mir viel beigebracht. Er durchlief die Hoffenheim-Schule unter Ralf Rangnick und Bernhard Peters. Das ist schon das oberste Regal. (lacht) Bei ihm habe ich Ebenen des Fußballs kennengelernt, die mir vorher als Spieler nicht so geläufig waren. Ich würde behaupten, dass ich durch ihn den Fußball jetzt noch ein bisschen mehr verstehen. 

Wie kam es zum folgenden Engagement beim MSV Duisburg?
Waldemar Wrobel bei Rot-Weiss Essen, Andre Pawlak beim KFC Uerdingen 05 und Jens Rasiejewski sind die drei Fußball-Lehrer, die mich am meisten geprägt haben. Alle hatten mir nach meinem Kurz-Intermezzo bei den Bochumer Profis geraten, zunächst mein Lehramtsstudium erfolgreich zu beenden. Parallel wurde eine Stelle beim MSV Duisburg frei. Mein Rucksack als Co-Trainer war durch die drei Jahren beim VfL Bochum voll und ich wollte mich als Cheftrainer beweisen. Erst übernahm ich die U14 und wurde später mit der U15 des MSV Meister in der Regionalliga West. Diesen Jugendbereich kannte ich vorher noch nicht. Gleichzeitig konnte ich an der Uni parallel meinen Master machen und so meine berufliche Ausbildung abschließen.

Schon durch Deine hauptberufliche Tätigkeit als Lehrer bist Du wieder näher an RWE herangerückt, oder?
Das stimmt. Ich unterrichte seit dem 1. Mai 2019 Sport und Geschichte am Leibniz-Gymnasium in Essen, einer Kooperationsschule von Rot-Weiss Essen, wo mir die Arbeit viel Freude bereitet. In dieser Schule hatte ich bereits vor zehn Jahren als RWE-Spieler Schulfußball-AGs geleitet.

Was ist leichter: Schülern die Geschichte des Römischen Reiches nahezubringen oder Fußballern Raumdeckung zu vermitteln?
In der Schule ist es definitiv schwieriger. Beim Fußball ist die Eigenmotivation der Spieler größer. Alle wollen am liebsten Profi werden und sind bereit, dafür mehr zu investieren. Das ist in der Schule nicht immer so. Wenn der Lehrer jedoch eine persönliche Beziehung zu den Schülern aufbaut und sich für sie interessiert, geht das auch ganz gut.

Welcher Führungsstil ist bei jungen Menschen heute besonders gefragt?
Am schönsten ist es, wenn die Jungs mit einem Lächeln zum Training erscheinen und die Platzanlage mit einem Lächeln verlassen. Der Impuls, sich entwickeln zu wollen, muss vom Spieler ausgehen. Ich sehe mich als Begleiter und zeige den Jungs Wege auf.

Wie schwierig gestaltet sich in Corona-Zeiten die Kaderplanung für die nächste Saison?
Wir haben das Glück und verfügen über einen guten Jahrgang. Zwölf Spieler werden von der U17 zur U19 hochgezogen. Zwei bis drei neue Spieler werden wir noch holen. In dieser Hinsicht haben wir keinen Stress.

Welche Ziele verfolgst Du noch?
Den Jungs eine Grundhaltung beizubringen, alles aus sich herauszuholen, und auf diesem Wege Spieler für die erste Mannschaft zu entwickeln.