13. September 2016

Stadion für Essen – ein Jahrhundertprojekt

Man mag es kaum glauben. Der Bau eines kommunalen Stadions beschäftigte die Stadt Essen fast 100 Jahre. In einer mehrteiligen Serie, die auch die Entwicklung an der Hafenstraße in den Blick nimmt, stellen wir die wichtigsten Stationen bis zur Eröffnung des Stadion Essen 2012 vor.

Im Rahmen der Einhundertjahrfeier der Firma Krupp (1912) war der Stadt Essen eine Jubiläumsstiftung in Höhe von 500.000 Reichmark überreicht worden. Das Geld sollte zum Ausbau und zur Unterhaltung eines städtischen Stadions verwandt werden.

Doch bis 1924 war es noch nicht gelungen, dieses Projekt zu realisieren. Durch die ständige Kritik der Presse und unter dem Druck des Stadtverbandes für Leibesübungen – einem Vorläufer des heutigen ESPO – veröffentlichte die Verwaltung schließlich einen „Entwurf zu einem Stadion für Essen“.

Das Projekt sah neben dem eigentlichen Stadion mit Zuschauerrängen für über 30.000 Besucher einen Wettspielplatz, einen Turn- und Vorführungsplatz, einen Bereich für Schwer-Athletik, einen Hockeyplatz, eine Radrennbahn und Reitturnierplatz, zwei Aufmarsch- und Übungsplätze, Tennisplätze plus Center Court und eine Schwimmbahn vor. Hinzu kamen eine Sänger- und Musiktribüne, eine Sport- und Turnhalle sowie ein Clubhaus mit Garten.

Hoffnung zur Ausführung keimte auf, als am 3. Oktober 1924 die Essener Allgemeine Zeitung (EAZ) zum Thema Stadionfragen schrieb: „Bottrop, Buer, Duisburg, Düsseldorf, Dortmund und Elberfeld sind weiter als Essen. Dem Alphabet nach kommt ohne Frage Essen. Diese Erkenntnis scheint sich auch bei der Stadtverwaltung durchgerungen zu haben. Wir können nunmehr den Bau eines Essener Stadions als beschlossene Sache betrachten.“ Das Stadion für Essen sollte im Gebiet zwischen Rüttenscheid und der Margarethenhöhe entstehen. Doch kurz darauf platzten die Träume. „Essen baut kein Stadion“ lautete am 27. November 1924 die Titelzeile im Essener Anzeiger (EA). Damit verschaffte sich Essen den zweifelhaften Ruf, die einzige Großstadt reichsweit zu sein, der es in den „Goldenen 1920er Jahren“ nicht gelang, ein größeres kommunales Stadion zu bauen. Von einer Sportstadt Essen war man weit entfernt. Das fehlende Stadion stand gleichsam als Symbol für die unterdurchschnittliche Versorgung mit Sportstätten, Schwimmhallen und Schwimmbädern.

Da wunderte es nicht, dass zu den Kommunalwahlen 1924 in Essen eine eigene „Partei für Leibesübungen“ antrat, die mit 5.086 Stimmen einen Stadtverordneten erhielt und ein zweites Mandat nur knapp verfehlte. In ihrem Programm stand die „Anlage von Sport- und Spielplätzen in allen Stadtteilen“ sowie der „Ausbau der Strandbäder, die in ihrem heutigen Zustand einer Großstadt unwürdig sind“ ganz oben auf der Forderungsliste. Bei den Kommunalwahlen 1929 gelang der erneute Einzug ins Essener Stadtparlament allerdings nicht mehr.

Um ein Stadion zu realisieren, war in der größten Stadt des Ruhrgebietes also Vereins- bzw. Privatinitiative wie beim Bau des 1922 eröffneten Uhlenkrug-Stadion von ETB Schwarz-Weiß Essen gefragt. Wie diese Eigeninitiative aussah kann man gut am Beispiel von Rot-Weiss Essen verdeutlichen.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges pachteten die Fußballpioniere um Georg Melches eine Spielfläche auf dem heutigen Stadiongelände. Als erstes musste diese den vorgeschriebenen Spielfeldmaßen angepasst werden. Die fehlenden 30 Meter konnten nach Verhandlungen mit den anliegenden Grundstückbesitzern hinzugewonnen werden. Die Gräben, die den Platz begrenzten, wurden kanalisiert, gleichzeitig die Spielfeldbreite vergrößert und Platz für Zuschauerränge gewonnen. Diese wurden in den nächsten Jahren schrittweise ausgebaut. Dabei wurden die RWE-Mitglieder in die Pflicht genommen:
„Vom Vorstand sind keine Kosten und Mühen gescheut worden. Das Spielfeld wird eingeebnet und erhält eine Größe von 108 x 74 m, eine Barriere wird errichtetet und die Zuschauerränge werden erhöht. Im Vertrauen auf das Interesse der Mitglieder am Verein ist dies geschaffen worden. Gebe jeder nunmehr auch alles her und stelle sein ganzes Können den rot-weissen Farben zur Verfügung.“

Bis in die 1930er Jahre genügte die Sportplatzanlage den Anforderungen. Nach dem Aufstieg in die Gauliga 1938, der damals höchsten deutschen Spielklasse, entwickelte sich der Platz an der Hafenstraße aber immer mehr zu einem Magneten, der die Zuschauermassen oft nicht fassen konnte.

Fortsetzung folgt!

Text:
Georg Schrepper