28. Mai 2021

„Komme als RWE-Fan zurück“

19.606 Minuten, 326 Stunden oder 266 Einsätze: „Platzo“ spielte acht Jahre für RWE. (Fotos: Endberg)
19.606 Minuten, 326 Stunden oder 266 Einsätze: „Platzo“ spielte acht Jahre für RWE. (Fotos: Endberg)

„Fußballgott" Marcel Platzek verabschiedet sich nach insgesamt zehn Jahren von der Hafenstraße.

"Marcel Platzek – Fußballgott": Diese Sprechchöre gab es in den letzten Jahren nicht selten im Stadion an der Hafenstraße. Doch am Ende dieser Saison ist das lange Kapitel bei Rot-Weiss Essen für den 31 Jahre alten Angreifer vorerst beendet. Der Publikumsliebling wechselt nach acht Spielzeiten beim Traditionsklub und Deutschen Meister von 1955 zum 1. FC Bocholt in die Oberliga Niederrhein.

Bereits im Juniorenbereich war der in Moers geborene Mittelstürmer erstmals nach Essen gekommen. Dort spielte er sich über die U19 bis zur ersten Mannschaft hoch, dann wechselte er zunächst zur U23 von Borussia Mönchengladbach. Nach vier Jahren kehrte "Platzo" aber zu RWE zurück – und diesmal sollte er deutlich länger bleiben.

Der beidfüßige Torjäger absolvierte 266 Partien für den Revierklub, erzielte dabei 85 Tore und bereitete 55 weitere Treffer vor. Was ihn in dieser Zeit genau zum "Fußballgott" der Essener Fans aufsteigen ließ? "Ich weiß es gar nicht so genau", sagt Platzek im Gespräch mit "kurzen fuffzehn". Platzek weiter: "Ich habe aber auf jeden Fall immer alles für den Verein gegeben. Das wird von den Fans honoriert."

Leistenverletzung: Platzek fehlt im Saisonendspurt

In all seinen Jahren in Essen spielte RWE immer in der Regionalliga West – der große Traum von der Rückkehr in den Profifußball blieb unerfüllt. Auf den "letzten Metern" besteht in dieser Saison zwar durchaus noch die (kleine) Chance, dass es endlich klappen könnte. Die Wahrscheinlichkeit hat sich allerdings die Ergebnisse des letzten Wochenendes wesentlich verringert.

Platzek kann seiner Mannschaft bei der Verwirklichung dieses Traums zudem derzeit nicht aktiv helfen. Zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt steht er ausgerechnet in einigen der letzten Spiele vor seinem Abschied wegen einer Leistenverletzung nicht zur Verfügung. Erst in einigen Tagen kann der Familienvater zweier Töchter wieder mit der Mannschaft trainieren. "Dann ist die Saison leider schon fast beendet", bedauert Platzek: "Ich werde die Mannschaft aber bei jedem Spiel von der Tribüne aus unterstützen." Die Hoffnung auf einen abschließenden Einsatz beim Saisonfinale in Wegberg-Beeck (5. Juni) besteht noch.

In den zurückliegenden Spielzeiten war RWE dem langersehnten Aufstieg in die 3. Liga noch nie so nahegekommen wie jetzt. Bei noch zwei ausstehenden Spielen rangieren die Essener nur einen Punkt hinter der U23 von Borussia Dortmund. Allerdings hat der BVB-Nachwuchs noch zwei Begegnungen mehr zu absolvieren. Marcel Platzek gibt sich dennoch kämpferisch: "Wenn wir unsere verbleibende Partie gewinnen, dann hätten wir mit 90 Zählern eine großartige Punkteausbeute. Dortmund muss seine Spiele schließlich auch noch gewinnen. Wir werden sehen, ob es dann reicht. Den Aufstieg hätten sich Verein, Fans und das gesamte Umfeld mehr als verdient."

Rückkehr der RWE-Anhänger an die Hafenstraße

Vor allem auch die treuen Fans lechzen nach dem Aufstieg. Und genau die dürfen ihr Team seit mehr als einem Jahr nicht an der Hafenstraße anfeuern. Immerhin zum abschließenden Saison-Heimspiel gegen die Sportfreunde Lotte im Rahmen des 41. Spieltags durfte zumindest ein kleiner Teil der RWE-Anhänger wieder dabei sein.

Fest steht: Der Abschied von RWE wird für "Platzo" auf jeden Fall emotional. "Natürlich macht es mich traurig, nach so einer langen Zeit Abschied zu nehmen", erklärt der Spieler mit der Trikotnummer 9. Er fügt hinzu: "Ich habe in Essen über die Jahre viele Fans persönlich kennengelernt. Daraus sind auch zahlreiche Freundschaften entstanden. Nachdem bekannt gegeben wurde, dass ich gehe, habe ich mir einige Kommentare im Netz durchgelesen. Es ist schon etwas Besonderes, wenn man so viel Zuspruch von den Anhängern bekommt."

Ganz Abschied nehmen will Platzek aber ohnehin nicht. "Man sieht sich immer zweimal im Leben", so der 1,85 Meter große Angreifer, der verspricht: "Ich kehre als Fan an die Hafenstraße zurück."

Drei Mal Landespokalsieger und DFB-Pokal-Viertelfinalist

Schließlich durfte Platzek auch einige große Erfolge mit RWE feiern. Gleich dreimal gewann er mit den Rot-Weissen den Niederrheinpokal. Im Rahmen des "Finaltags der Amateure" am Samstag, 29. Mai, wird ihm der vierte Streich in seiner langjährigen RWE-Laufbahn leider versagt bleiben. Im Halbfinale mussten sich die Essener dem Ligakonkurrenten und Außenseiter SV Straelen überraschend im Elfmeterschießen 2:4 (2:2, 1:1, 0:0) geschlagen geben und verpassten dadurch den erneuten Einzug in das Endspiel, in dem Straelen jetzt auf den Wuppertaler SV (6:2 gegen den Drittligisten MSV Duisburg) treffen wird.

Einige besondere Höhepunkte im RWE-Trikot erlebte Platzek aber auch in der aktuellen Spielzeit. Der DFB-Pokalsieger von 1953 und Final-Teilnehmer von 1994 (1:3 gegen den SV Werder Bremen) kämpfte sich bekanntlich sensationell bis in das Viertelfinale des DFB-Pokals, kegelte die beiden Bundesligisten Arminia Bielefeld (1:0) und Bayer 04 Leverkusen (2:1 nach Verlängerung) sowie den Zweitligisten Fortuna Düsseldorf (3:2) aus dem Wettbewerb. Erst in der Runde der verbliebenen acht Vereine war gegen den Zweitliga-Aufstiegsaspiranten Holstein Kiel (0:3) Endstation.

"Wir haben eine hervorragende Pokalrunde gespielt", betont Platzek: "Besonders die Partie gegen Bayer 04 Leverkusen – mit dem Sieg nach einem 0:1 Rückstand in der Verlängerung – wird mir immer in Erinnerung bleiben", so der Stürmer, der als "Joker" das Tor zum zwischenzeitlichen Ausgleich durch Oguzhan Kefkir vorbereitet und damit den großen Triumph mit eingeleitet hatte.

Neue Herausforderung am Bocholter "Hünting"

Das Ende der Reise in Essen wird für Marcel Platzek aber nicht den Abschluss seiner aktiven Karriere bedeuten. Mit jetzt 31 Jahren ist er noch nicht bereit, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen. "Ich bin noch fit und habe Lust, weiter Fußball zu spielen. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, beim 1. FC Bocholt in der Oberliga Niederrhein eine neue Herausforderung zu wagen", so Platzek.

Bis zum Saisonabbruch aufgrund der Corona-Pandemie war der frühere Zweitligist 1. FC Bocholt mit neun Siegen und einem Unentschieden in zehn Partien souveräner Tabellenführer der Oberliga Niederrhein. Ein Aufstieg in die Regionalliga West ist aber wegen des frühen Saisonabbruchs nicht möglich. "Bocholt hat sich auch deshalb für die nächste Saison einiges vorgenommen", freut sich Platzek auf die Zeit bei seinem neuen Klub am traditionsreichen "Hünting". Und wer weiß? Vielleicht trifft der Essener "Fußballgott" irgendwann im Niederrheinpokal oder in der Liga auf seinen Herzensverein. Wenn nicht als Spieler, dann auf jeden Fall als Fan!