30. Juni 2020

„Es hätte keinen anderen Weg geben können“

Simon Hohenberg trainiert seit 2018 die RWE-U17. (Foto: Breilmannswiese)
Simon Hohenberg trainiert seit 2018 die RWE-U17. (Foto: Breilmannswiese)

Simon Hohenberg, Cheftrainer der rot-weissen U17 im Interview

Neben unseren A-Junioren ist auch die rot-weisse U17 um Trainer Simon Hohenberg zurück in der B-Junioren-Bundesliga West. Im Interview erzählt der Teamchef von einer historischen Saison aus gleich zweierlei Hinsicht, der erfolgreichen rot-weissen Jugendarbeit und dem festen Plan, sich für länger als ein Jahr Bundesligist nennen zu dürfen.

Hallo Simon! Wir freuen uns sehr, dass du dir die Zeit nimmst. Die rot-weisse U17 komplettiert den rot-weissen Doppelaufstieg! Gratulation auch dir und deiner Mannschaft zur Rückkehr in die Junioren-Bundesliga! 
Herzlichen Dank!

Wie fühlt man sich als frischgebackener Aufsteiger?
Das ist ein tolles Gefühl nach einer intensiven Vorbereitung und Saison mit der Mannschaft. Für viele ist es wahrscheinlich ein einmaliges Erlebnis, an das man sich seinen Lebtag erinnern wird.

Wegen der Corona-Pandemie…
Das ganz bestimmt auch. Vor allem aber wegen unserer eigenen Leistung. Wir haben eine überragende Saison gespielt. Die Art und Weise wie wir durch die Liga gerauscht sind, mit welcher Dominanz wir die Spiele gewonnen haben, welche Konkurrenz wir zurückgelassen haben mit Gladbach, Duisburg, Oberhausen, Düsseldorf… Das ist aus unserer Sicht schon etwas ganz besonderes auf das wir sehr akribisch hingearbeitet haben.

Da kann man schon mal ins Schwärmen kommen…
Definitiv. Wir hatten ein einwandfreies Team mit sehr viel Qualität. Ich glaube die Art und Weise wie wir Fußball gespielt haben, hat es in der Form so in der Niederrheinliga noch nicht gegeben. Wir steigen ohne auch nur irgendeinen Zweifel hochverdient auf. 

Das klingt danach, als hättet ihr genau das abgerufen, was ihr euch vorgenommen habt.
Ja, das kann man schon so sagen. Wir haben uns vor der Saison auf die Fahne geschrieben, mutigen Offensivfussball anbieten zu wollen. Insgesamt denke ich konnten wir viele Parameter erfüllen wie wir als Rot-Weiss Essen Fußball spielen wollen. Wir haben sehr attraktiven und leidenschaftlichen Fußball gespielt. Das alles lässt einen diese Saison ganz bestimmt nicht so schnell vergessen – natürlich aber auch wegen ihres Abbruchs…

Was waren deine ersten Gedanken als der Abbruch der aktuellen Niederrheinliga-Saison feststand?
Die waren sehr gespalten. Ich denke jeder im Verein und in der Mannschaft hätte die Saison sehr gerne zu Ende gespielt. Gerade mit solch guten Karten, wie wir sie zu dem Zeitpunkt hatten, das Triple dieses Jahr zu holen – aus Meisterschaft, Niederrheinpokal und Kreispokal. Dementsprechend waren wir schon alle enttäuscht, als die Nachricht durchsickerte, dass die Saison abgebrochen wird.

Wie haben deine Jungs die Nachricht des Saisonabbruchs aufgenommen?
Die Jungs sind natürlich enttäuscht darüber gewesen, als feststand, dass die Saison abgebrochen wird. Wir haben viel miteinander gesprochen, sind die verschiedenen Szenarien durchgegangen und waren im stetigen Austausch darüber, wie wir mit der Situation am besten umgehen sollten.

Wie war allgemein der Kontakt zu deinen Spielern in dieser Zeit?
Während des strengen Lockdowns war der Kontakt mit den Jungs natürlich schwierig. Wir haben uns als Trainerteam mindestens einmal pro Woche per Zoom-Konferenz mit den Spielern zum virtuellen Training verabredet und ausgetauscht. Außerdem haben wir viele persönliche Einzelgespräche per Telefon geführt. 

Und auch Hausaufgaben aufgegeben?
Jawohl, die gab es auch. Wir haben jedem Spieler einen individuellen Trainingsplan für eine Woche gegeben. Den haben die Jungs abgearbeitet. Anschließend haben wir ihn dann aktualisiert. Außerdem haben wir die Jungs mit einer Art “Challenge“ wöchentlich herausgefordert. So hatten wir Kontakt zu unseren Spielern und die konnten sich weiterhin miteinander messen.

Meinst du mit wir das gesamte Trainerteam?
Nicht nur. Wir als Trainerteam haben den Jungs auch Unterstützung von anderer Seite des Nachwuchsleistungszentrums angeboten – beispielsweise durch unseren Sport-Psychologen Jahan Heidari oder unseren Reha-Trainer Matthias Gesenhues. So haben die Jungs auch im athletischen Bereich Aufgaben an die Hand bekommen. Das war unheimlich wichtig, gerade auch um eine gewisse Struktur und Routine im Alltag der Jungs zu schaffen.

Da dürfte die Rückkehr zum Mannschaftstraining allen Beteiligten gut getan haben…
Ohne Frage! Mittlerweile sieht die Situation wieder etwas anders aus. Wir durften wieder mit der Mannschaft trainieren und konnten nebenbei die Kaderplanung für die neue Saison vorantreiben. Nach einer einwöchigen Pause haben wir Anfang dieser Woche die Vorbereitung auf die neue Saison voll aufgenommen.

… als amtierender Niederrheinmeister.
So ist es. Trotz all der besonderen Umstände wollen wir nicht aus den Augen verlieren, dass wir unsere wesentlichen Ziele erreicht haben. Zum einen natürlich den Aufstieg, zum anderen aber – und dieses Ziel ist mindestens genauso wichtig – dass wir die Jungs massiv weiterentwickeln konnten. Über zehn Spieler haben den nächsten, schwierigen Sprung geschafft und spielen zur kommenden Saison in der U19 von Rot-Weiss Essen. Das ist eine überragende Quote und genau das, was wir bei Rot-Weiss Essen erreichen wollen.

Das dürften auch die Verantwortlichen der 1. Mannschaft von RWE gerne hören.
Es sind auf jeden Fall einige spannende Jungs dabei, denen ich den Sprung zur Hafenstraße zutraue. Jedem einzelnen ist aber auch bewusst, dass noch einige Meter zu gehen sind bis es soweit ist.

Lass uns einen Blick auf das aktuelle Geschehen werfen. Vergangenen Samstag gab der Fußballverband Niederrhein grünes Licht für den Aufstieg. Wie hast du auf die Entscheidung reagiert?
Das war aus meiner Sicht keine große Überraschung mehr. Alle Auswertungen und Rechenbeispiele haben für uns gesprochen. Vor dem Hintergrund, dass 75% der Saison gespielt worden sind, halte ich diese Entscheidung für durchaus vertretbar und fair.

Wir bleiben bei grün. Nun fiel die Entscheidung am „grünen Tisch“ und nicht auf dem Platz. Nimmt man das in dem Fall anders auf?
Definitiv. Das ist ein ganz komisches Gefühl. Da fehlen einem natürlich komplett die Emotionen. Dieses Gefühl auf dem Platz direkt aufzusteigen – die Jungs fallen sich in die Arme – das bleibt so aus und ist auf eine Art und Weise auf jeden Fall schade. Ich bin aber persönlich der Meinung, dass wir das, was wir geleistet haben, trotz Entscheidung am grünen Tisch gebührend feiern dürfen und sollten. Hinter diesem Erfolg steckt über ein Jahr harte Arbeit. 

 … mit einer Mannschaft zu der du nach dieser Zeit bestimmt auch eine persönliche Bindung hast, stimmt`s?
Ohne jeden Zweifel! Mit einem Großteil der Jungs arbeite ich seit zwei Jahren zusammen. Den U16-Kader habe ich damals mit vielen dieser Jungs selbst zusammengestellt oder sie frühzeitig in die U17 hochgezogen.

Und jetzt spielt ihr zusammen Bundesliga. Ist es für deine Jungs das erste Mal auf diesem Niveau?
Nein, nicht für alle. Ein Teil hat letztes Jahr schon Bundesliga gespielt. Für viele wird es allerdings das erste Mal von Spieltag 1 an Bundesliga sein. Darauf sind die Jungs unheimlich heiß. Eine komplette Saison in der höchsten Klasse zu spielen und sich mit der absoluten Spitze Deutschlands zu messen.

Da freut sich wohl jeder Rot-Weisse mit Euch. 
Dieses Niveau ist natürlich auch eine Riesensache für den gesamten Verein. Wir haben die Chance, uns mit den Top-Talenten zu messen und die Jungs so weiterzuentwickeln. Das will ich als Trainer. Das wollen wir im NLZ. Und das wollen wir als Verein Rot-Weiss Essen. Wir wollen unsere eigenen Spieler mit Weitsicht für die 1. Mannschaft ausbilden. Das ist unser Weg und bleibt auch unser oberstes Ziel, Spieler so auszubilden und weiter zu formen, dass sie in zwei, drei Jahren bei uns in der 1. Mannschaft von Rot-Weiss Essen ankommen können. 

Und wie schauen deine sportlichen Erwartungen an die kommende Bundesligasaison aus?
Zuallererst sagen wir ganz bewusst: Wir spielen U17-Bundesliga. Uns ist von vornherein klar, dass es da andere Vereine in der Liga gibt, die auch andere Mittel zur Verfügung haben. Wir sind keine Mannschaft, die sich die Talente aus ganz Europa angeln kann. Aber nur weil wir nicht die gleichen Möglichkeiten haben wie andere Vereine in der Liga, heißt das für uns nicht, unsere Art Fußball zu spielen aufzugeben. Wir werden uns ganz sicher nicht nur hinten rein stellen und lange Bälle nach vorne pöhlen. 

Sondern?
Wir wollen unsere Art und Weise Fußball zu spielen treu bleiben und jetzt nicht alles über den Haufen werfen, weil wir eine Klasse höher spielen. Wir sollten demütig sein, aber gleichzeitig auch rotzfrech in unserem Spiel. Wir werden unserer Spielphilosophie treu bleiben, mutig offensiv zu spielen, mit sehr viel Leidenschaft und brutalen Umschaltmomenten. Ich bin mir sicher, dass wir so auch in der Bundesliga Erfolg haben und zwangsläufig unsere Punkte holen werden.

Glaubst du, dass dieses Ziel unter den gegebenen Umständen schwieriger zu erreichen sein wird?
Es wird sicherlich spannend sein, sich in einem erweiterten Teilnehmerfeld zu messen und in einer Konstellation zu spielen, die mehr Absteiger ergeben wird als bisher. Nichtsdestotrotz gehen wir deswegen mit keinen anderen Gedanken an die Spiele heran als bisher.

Wir bleiben uns treu.