29. August 2018

Eine Zweitligalegende wird 50 – Willi Landgraf

Immer mit Drang nach vorne: Willi Landgraf im RWE-Trikot.
Immer mit Drang nach vorne: Willi Landgraf im RWE-Trikot.

„Williiii" – schallte es von 1987 bis 1991 und von 1994 bis 1996 durch das Georg Melches-Stadion, wenn Willi Landgraf, der kleine Spiel mit dem großen Kämpferherz und Offensivdrang am Ball war. Als A-Jugendspieler kam er 1985 zum RWE und schaffte ein Jahr später den Sprung in den Profikader. Hier legte er den Grundstein für einen bis heute gültigen Rekord von 508 Spielen in der 2. Bundesliga.

Für den Bottroper Willi Landgraf, der 1985 von Rot-Weiß Mülheim an die Hafenstraße gekommen war, sollte sich der Wechsel schon bald auszahlen. Der heutige Kulttrainer Peter Neururer, damals Trainer der 2. Mannschaft von RWE, die in der Landesliga spielte, erkannte das Jungtalent, und schaffte mit ihm den Klassenerhalt. Der Sprung von der Jugend zu den Senioren sollte sich in barer Münze auszahlen. Willi Landgraf erinnert sich: „Montags musste ich immer beim Schatzmeister vorbeikommen. Der gab mir Groschen, 50-Pfennig-Stücke und auch einige Fünf-Mark-Münzen. Die habe ich mir in die Hosentaschen gesteckt. Zuhause wurde das Geld gerollt und dann dienstags zur Sparkasse gebracht.“

1986: Der Sprung in den rot-weissen Profikader
In seiner ersten Profisaison 1986/87 debütierte Willi Landgraf erst spät beim 4:0 Heimspiel-Sieg gegen Saarbrücken am 30. Mai 1987. Bis Ende der Saison 1990/91 bestritt er 119 Spiele für RWE und schoss dabei fünf Tore. Zu Beginn seiner Karriere klopfte auch Fortuna Düsseldorf bei ihm an. Aber bei RWE witterte man den Braten. Landgraf bekam eine Lehrstelle als Kraftfahrzeug-Elektriker beim damaligen Vize-Präsidenten Klaus Bimmermann und dessen Kompagnon, dem ehemaligen RWE-Profi Dieter Bast. Und damit überhaupt nichts in Sachen Wechsel zur Düsseldorfer Fortuna anbrennen konnte, bezahlte RWE dem kleinen Flitzer (1,66 cm groß) auch noch den Führerschein.
Über seine Jung-Profijahre beim RWE erzählt Landgraf: „Die Trainer wechselten recht häufig. Ich hatte dabei einen Vorteil. Die Verhandlungen mit neuen Trainern wurden immer auf meiner Arbeitsstelle bei Bimmermann und Bast geführt. Da bekam ich meist schneller als meine Kameraden mit, wer der Neue sein würde.“ Landgraf erlebte folgende Trainer: Horst Hrubesch, Peter Neururer, Horst Franz, Lothar Buchmann, Siegfried Melzig, Hans-Günter Neues und Hans-Werner Moors.

Der Wechsel zum FC 08 Homberg
1991 kam nach dem Lizenzentzug wegen chronisch klammer RWE-Kassen der Zwangsabstieg in die 3. Liga und Willi Landgraf musste den Verein wechseln. Er war damals Teil des sogenannten Ommer-Modells. Der ehemalige Leichtathlet Manfred Ommer griff Vereinen, die in finanzieller Not waren, unter die Arme und ließ sich im Gegenzug die Transferrechte an den Spielern überschreiben. „Ich gehörte Ommer. Der SV Meppen wollte mich, zahlte mir sogar für das Vorstellungsgespräch 80 Mark Spritgeld. Doch die geforderte Ablösesumme von 80.000 Mark wollten die Meppener nicht locker machen. Deswegen musste ich ins Saarland zum FC Homburg wechseln, wo Ommer das Sagen hatte“, berichtet Willi Landgraf. Drei Jahre blieb er dort, spielte 107 Mal für den FC Homburg 08 in der 2. Bundesliga und schoss dabei vier Tore.

Immer wieder RWE – wenn auch nur für zwei Jahre
Dann holten ihn die Rot-Weissen zurück. Es spielte nun freiwillig in der 3. Liga, in der RWE inzwischen gelandet war. Dafür kam Willi Landgraf jetzt auch zu internationalen Einsätzen. Mit der Bundeswehr-Nationalmannschaft nahm er an der Militär-Weltmeisterschaft in Marokko teil und belegte den dritten Rang. Mit Rot-Weiss Essen erlebte er am Ende der Saison 1995/96 den Aufstieg in die 2. Liga. Insgesamt spielte Landgraf bei seinem zweiten Engagement 66 Mal für RWE und schoss fünf Tore. Im letzten Spiel gegen den 1. FC Saarbrücken – gegen den er ja auch sein erstes Spiel im rot-weißen Trikot absolviert hatte – gab es einen 1:0-Sieg. Torschütze war Willi Landgraf, der gleichzeitig einer der umjubelsten Aufstiegshelden wurde, obwohl schon länger bekannt war, dass er zum Mitaufsteiger FC Gütersloh wechseln würde. Drei Jahre spielte er beim FC Gütersloh, machte 94 Spiele und schoss zwei Tore.

Rekordspieler in der 2. Bundesliga
Dann kam der Wechsel zu Alemannia Aachen, wo er sieben Jahre spielen sollte. Willi Landgraf wurde auch am Tivoli zum Publikumsliebling und erneut ertönten die „Williii“-Rufe. Er spielte 188 Mal für die Kaiserstädter, erzielte drei Tore und schaffte einen Rekord, der bis heute unerreicht ist – insgesamt 508 Spiele bei seinen einzelnen Stationen in der 2. Bundesliga.

Nachdem die Alemannen 2004 das DFB-Pokal erreicht hatten, bestritt Landgraf am 16. September 2004 sein erstes Pflichtspiel im UEFA-Pokal gegen den FH Hafnarffjödur aus Island.
In der Saison 2005/06 schaffte Willi Landgraf mit Alemannia Aachen sogar den Sprung in die 1. Bundesliga. Dort spielte er aber nicht mehr, sondern beendete seine Profikarriere und bestritt am 8. Oktober 2006 zusammen mit Erik Meijer sein Abschiedsspiel an der Kultstätte der Aachener.
Es begann nun seine Zeit beim FC Schalke 04, wo er in der 2. Mannschaft und 2007 sogar noch mal bei den Profis aushalf. Er erhielt dort einen Vertrag, um das geforderte Minimum an deutschen Spielern im Profikader vorweisen zu können, spielte aber nicht. Seitdem betreut Willi Landgraf Nachwuchsmannschaften in Gelsenkirchen. Von 2011-2014 schnürte der Dauerläufer sogar noch mal die Fußballschuhe beim VfB Bottrop, mit dem er den Aufstieg in die Landesliga Nordrhein schaffte.

Text: Uwe Wick