20. Januar 2021

An Europas Töpfen geschnuppert

Ausverkauft war die neue, jetzt überdachte Stehtribüne zur Premiere am 15.Februar 1975 beim 4:4 gegen Schalke 04. (Foto: Archiv)
Ausverkauft war die neue, jetzt überdachte Stehtribüne zur Premiere am 15.Februar 1975 beim 4:4 gegen Schalke 04. (Foto: Archiv)

1973-1977: Starke Runden und der Absturz im verflixten siebten Bundesligajahr.

Im heutigen Teil der Serie „Rot-Weisse Bundesligajahre" geht es um die Spielzeiten 1973-1977, also um die Serien nach dem dritten Bundesligaaufstieg. Zwei berauschende Jahre hatte RWE nach dem Bundesligaabstieg 1971 in der damaligen Regionalliga West absolviert. Die direkte Rückkehr in die Bundesliga musste man 1972 nur wegen des schlechteren Torverhältnisses in der Aufstiegsrunde noch um ein weiteres Jahr vertagen. Am Ende der Spielzeit 1972/73 setzten sich die Essener dann aber in der Meisterschaft mit 55:13 Punkten und 104:40 Toren sowie ungeschlagen in der Aufstiegsrunde mit 14:4 Punkten und 23:8 Toren durch.

Trainerwechsel bringt RWE auf die Erfolgsspur 1973-1974
Die Euphorie nach dem dritten Bundesligaaufstieg war entsprechend hoch. Doch die ersten drei Heimspiele gegen Borussia Mönchengladbach (2:6) und die Fortunen aus Köln (0:2) und Düsseldorf (1:4) gingen deutlich verloren. Im vierten Anlauf gelang gegen den Wuppertaler SV (2:1) endlich der erste doppelte Punktgewinn. Die anfängliche Auswärtsschwäche ließ das Team von der Hafenstraße aber nicht vom Tabellenende wegkommen.

Das Präsidium reagierte und trennte sich von Trainer Horst Witzler. Diethelm „Didi“ Ferner, bis dahin einer der zuverlässigsten Stützen in der RWE-Mannschaft und Inhaber der Trainer-A-Lizenz, wechselte vom grünen Rasen auf die Trainerbank. Und mit ihm kam der Erfolg zurück. Zum Einstand gelang ein 3:1 Sieg gegen Werder Bremen. Eine Woche später konnte mit neuem Selbstbewusstsein auch die Auswärtshürde in Hannover mit einem 2:1 Sieg im Niedersachsenstadion genommen werden. Beim nächsten Heimspiel überrollte die Mannschaft von der Hafenstraße die Frankfurter Eintracht mit 6:3. Altgediente RWE-Fans ordnen die Partie bis heute in die Kategorie der „legendären Spiele“ ein. Zum Abschluss der Hinrunde lag RWE mit ausgeglichenem Punktekonto im Mittelfeld der Tabelle.

In der Rückrunde wechselten sich Licht und Schatten ab. Am Ende reichte es für den Bundesligaaufsteiger aber auch aufgrund einer neu entdeckten Auswärtsstärke und Siegen in den beiden letzten Begegnungen beim VfB Stuttgart (3:0) und dem Hamburger SV (3:2) zum 13. Platz. Lediglich Bayern München, Borussia Mönchengladbach und der 1. FC Kaiserslautern holten in der Saison 1973/74 mehr Zähler in fremden Stadien.

DFB-Pokalhalbfinale 1974-1975
Die Spielzeit 1974/75 begann für RWE mit zwei Auftaktsiegen beim 1. FC Köln (1:0) und gegen den Wuppertaler SV (2:0). Es folgte eine durchwachsene Hinrunde, die zum Ende der ersten Serie aber auch ein achtbares Remis beim Meister Bayern München (2:2) und klare Erfolge über Kickers Offenbach (5:1) und den VFB Stuttgart (3:1) brachte. Mit 16:18 Punkten ging es im Dezember 1974 auf Tabellenplatz 13 in die Winterpause.

In der Rückrunde stand ein Spiel besonders im Mittelpunkt. Höhepunkt der Bundesligasaison war am 15. Februar 1975 die Einweihung der neuen Stehtribüne im Spiel gegen Schalke 04. In einem spannenden und torreichen Spiel trennten sich die beiden Revierklubs mit 4:4. Erst kurz vor Schluss gelang Klaus Fischer in der 84. Minute der Ausgleich für die Knappenelf.

Insgesamt blieb die Heimbilanz in dieser Saison mit sieben Siegen und sechs Unentschieden positiv, so dass insgesamt der 12. Tabellenplatz erreicht werden konnte.

Einen weiteren Höhepunkt bot der DFB-Pokal, in dem RWE nach fünf erfolgreichen Runden und einem 1:0 Viertelfinalsieg gegen Fortuna Düsseldorf der Sprung ins Halbfinale gelang. Dort musste man bei der Frankfurter Eintracht antreten. In einem typischen Pokalfight konnte Manfred Burgsmüller die Führung der Hessen ausgleichen. Anschließend hatten die Essener mehrfach die Möglichkeit, das Siegtor zu erzielen. Es ging in die Verlängerung, in der Eintracht Frankfurt mit 3:1 das glücklichere Ende für sich hatte und anschließend auch das Pokalfinale gegen den MSV Duisburg gewann.

Das beste Bundesligajahr 1975-1976
An der Hafenstraße übernahm Ivica Horvat nach der Absage von Udo Lattek, die wir in der letzten Ausgabe der kurzen fuffzehn ausführlich dargestellt haben, das Traineramt. Unter seiner Regie gab es mit Horst Hrubesch die Entdeckung der Saison. Dabei konnte Willi Lippens nach den ersten Trainingseinheiten nicht einmal den Namen des gelernten Dachdeckers aus Hamm-Westtünnen richtig aussprechen: „Rehbusch oder so ähnlich". Doch spätestens nach seinen beiden Toren zum Bundesligaauftaktsieg gegen Bayer Uerdingen (2:1) war Horst Hrubesch in aller Munde.

Die RWE-Fans hatten einen neuen Liebling. Im letzten Hinrundenspiel erzielte der Senkrechtstarter sogar alle rot-weissen Treffer beim 3:3 in Bremen. Zusammen mit Manfred Burgsmüller und Willi Lippens hatten die Bergeborbecker das Sturmtrio ihrer Bundesligazugehörigkeit gefunden. Das Georg-Melches-Stadion wurde in dieser Spielzeit fast wieder zur uneinnehmbaren Festung. Nur Meister Borussia Mönchengladbach (1:3) und der Tabellenvierte FC Köln (2:3) konnten hier gewinnen.

Und auch auswärts punkteten die Rot-Weissen. Am letzten Spieltag winkte plötzlich die Teilnahme am lukrativen UEFA-Cup. Voraussetzung war ein Sieg über Werder Bremen und ein gleichzeitiger Punktverlust von Schalke in Kaiserslautern. RWE gewann zwar das direkte Duell gegen dies Hanseaten mit 2:0, aber auch die Blau-Weißen punkteten doppelt beim 3:1-Erfolg am Betzenberg. Die Uefa-Cup-Qualifikation war knapp verpasst worden, der 8. Tabellenplatz aber zugleich die beste Platzierung in den Essener Bundesligajahren.

Der dritte Bundesligaabstieg 1976-1977
Schon vor dem Meisterschaftsstart 1976/77 stand fest, dass das insgesamt verflixte siebte Jahr in der Bundesliga nur mit großer Anstrengung zu bewältigen war. Mit „Ente“ Lippens und Manfred Burgsmüller hatten zwei Leistungsträger den Verein verlassen. Als dann auch noch Torhüter Heinz Blasey, Abwehrchef Hartmut Huhse und Horst Hrubesch verletzungsbedingt eine Pause einlegen mussten, war die erfolgreiche Achse der vergangenen Saison endgültig gesprengt. Nach 15 Spieltagen hatte RWE gerade einmal fünf Pluspunkte sammeln können.

Frischen Wind brachte der 18-jährige Frank Mill ins Team, der im Sommer mit der A-Jugend die deutsche Vizemeisterschaft errungen hatte. Eine Serie von 15:6 Punkten, die den Anschluss an die Nichtabstiegsplätze bedeutete und ein wieder genesener Horst Hrubesch ließen die Fans zwischenzeitlich auf den Klassenerhalt hoffen. Er kam in der Saison sogar noch auf 20 Tore und erzielte gegen den späteren Meister Borussia Mönchengladbach den 1:0-Siegtreffer. Doch die Zebras aus Duisburg beendeten mit einem klaren 4:0-Sieg die kleine Serie. Bis zum Saisonende holte RWE nur noch fünf Punkte aus den restlichen zehn Spielen.

Im DFB-Pokal schafften es die Mannschaft von der Hafenstraße dagegen mit fünf Siegen erneut ins Halbfinale zu kommen, doch auch hier war wenige Wochen vor dem Saisonende bei der 0:4-Niederlage in Köln die Luft schon raus.

Am 14. Mai 1977 verabschiedete sich Rot-Weiss Essen im Georg-Melches-Stadion mit einem 5:3-Erfolg über Fortuna Düsseldorf aus der deutschen Eliteklasse. Die anschließende 0:6-Niederlage bei Eintracht Braunschweig hatte nur noch statistischen Wert.

Ein Beitrag unseres ehrenamtlichen Vereinshistorikers Georg Schrepper.