29. Juli 2022

Zehn Jahre GMS-Initiative

Kulturgutschützer setzen sich für RWE-Historie ein.

GMS-Initiative feiert Jubiläum.
Teile der GMS-Initiative präsentieren den alten Stadion-Schriftzug in der neuen „Kleinen Gruga“ (Foto: Capitain)

Die GMS-Initiative existiert seit 2012 und macht somit das erste Jahrzehnt als Kulturgutschützer von Rot-Weiss Essen voll. Sie will „die Wurzeln und Werte von RWE wahren und dabei auch das Andenken an unseren Vereinsgründer Georg Melches wachhalten.“ Ihre Entstehung hatte allerdings einen ganz anderen Grund.

Im November 2011 ergriff der Journalist Jörg Lawrenz auf einer offiziellen RWE-Fankonferenz das Wort für den Erhalt der Haupttribüne des Georg-Melches-Stadion. Er gab damit den Anstoß, dass sich Anfang des Jahres 2012 zahlreiche Essener Bürger und Rot-Weiss-Essen-Freunde aus ganz Deutschland zusammenschlossen, um gemeinsam den Abriss zu verhindern.

Vergeblicher Kampf zum Erhalt der Haupttribüne

Das öffentliche Interesse am Projekt „Erhalt der Haupttribüne“ wuchs stetig und wurde von zahlreichen Aktionen in und am Stadion, Anträgen beim Denkmalschutz, Presseberichten, Gesprächen mit Verwaltung und Politik und der Zusammenarbeit mit Museen begleitet. Bundesweites Aufsehen erregte der Artikel „Essener Georg-Melches-Stadion – Hier stirbt ein Stück Ruhrgebiet“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der auch online verbreitet wurde. FAZ-Auto Andreas Rossmann beklagte darin in einer Zwischenüberschrift: „Ein Sportdenkmal plattgemacht für einen Parkplatz“. Es nutzte alles nichts. Im Juni 2013 fiel die letzte Mauer des legendären Georg-Melches-Stadions.

Sinnvolle Form der Erinnerungskultur?

Zur Auseinandersetzung in der Frage nach der Sinnhaftigkeit des Erhalts der Haupttribüne gehört allerdings auch die Tatsache, dass die großen Erfolge von RWE mit dem DFB-Pokalsieg 1953 und der deutschen Meisterschaft 1955 noch vor der alten Holztribüne stattgefunden hatten. Das 1957 fertig gestellte Prunkstück der damals noch vereinseigenen Stadionanlage hatte als Multifunktionsbau zwar Vorbildcharakter im Stadionbau, leitete aber zugleich den sportlichen Niedergang von RWE in der Oberliga West ein. Der jahrzehntelange Geschäftsstellenleiter Paul Nikelski sagte einmal: „Das Stadion hat uns jedes Jahr fünf gute Spieler gekostet.“ RWE stieg 1961, sechs Jahre nach dem größten Vereinserfolg, aus der damals höchsten deutschen Spielklasse ab und gehörte dadurch auch nicht zu den Gründungsmitgliedern der 1963 startenden Fußball-Bundesliga.

Vielen Fans auf den beiden anderen Tribünen waren die Besucher der Haupttribüne darüber hinaus oft ein Dorn im Auge, und so mussten sich diese oft den Schmähruf „Scheiß Tribüne“ anhören, wenn sie nach Meinung der Stehplatzbesucher sich stimmungsmäßig nicht ausreichend beteiligten. Der Autor dieser Zeilen arbeitet seit einigen Jahren zwar aktiv in der GMS-Initiative mit, sieht daher ihren dargestellten ursprünglichen Gründungsanlass aber kritisch.

Deutschlands einziges Fußball-Freilichtmuseum

„Was bleibt nun und in Zukunft von unserem Vereinsgründer Georg Melches und der Geschichte unseres Vereins erhalten?“, fragten sich die Mitglieder der GMS-Initiative nach ihrem vergeblichen Kampf zum Erhalt der Haupttribüne des GMS und gaben auf ihrer Internetseite selbst die Antwort: „Auch nach dem Abriss des Georg-Melches-Stadions geht der Einsatz der „Initiative GMS“ weiter. Wir wollen als aktive „Kulturgutschützer“ die Wurzeln und Werte von RWE wahren und dabei auch das Andenken an unseren Vereinsgründer Georg Melches wachhalten.Wir werden alles daran setzen, die Historie des Vereins und seines Gründers in würdigem Gedenken zu erhalten. Wir wollen gute Tradition bewahren, ohne rückschrittlich zu sein. Wir wollen mit den Geschichten von früher in eine neue Zeit gehen. Wir wollen Altes mit Neuem verbinden.“

Die rot-weissen Kulturgutschützer erhielten nach Verhandlungen mit der städtischen GVE und Rot-Weiss Essen die Möglichkeit, ihre Ideen auf einem 120 Meter langen Grünstreifen entlang der Einfahrt zum Stadion an der Hafenstraße umzusetzen. Seit Mai 2015 entsteht auf dieser Fläche eine einzigartige Fußball-Erinnerungslandschaft. Ziel des eigenständig finanzierten Projekts ist es, einen Zeitstrahl der über 100-jährigen RWE-Geschichte zu schaffen, der Stück für Stück erweitert wird. Angelehnt an die ehemalige Gartenanlage, die sich einst zwischen der Haupttribüne und der Westkurve des Georg-Melches-Stadions befand, trägt es den Namen „Kleine Gruga“. Bei jedem Heimspiel ziehen Tausende Fans daran vorbei. Sie verweilen einen Moment, trinken noch ein Wegbier auf einer der Sitzbänke und schauen auf die ausgestellten Exponate zur RWE-Historie. Wir stellen die bisher entstandenen Stationen und Objekte zur rot-weissen Vereinsgeschichte in den kommenden Ausgaben der kurzen fuffzehn vor.

Ideenbörse Melches Hütte

Die heute noch knapp zehn aktiven Mitstreiter treffen sich in regelmäßigen Abständen in den Räumlichkeiten der „Melches Hütte“ des AWO-Fanprojekts. Hauptinitiator, Ideengeber und Sponsorenbeschaffer für die unterschiedlichsten Projekte ist der ehemalige RWE-Geschäftsstellenleiter Detlev Jaritz. Als Mitglied des RWE-Ehrenrates hat er die Georg-Melches-Verdienstmedaille ins Leben gerufen. Dazu heißt es auf der Homepage von Rot-Weiss Essen:

„RWE wird durch jahrzehntelange Tradition und Verdienste unterschiedlichster Rot-Weisser geprägt. Zahlreiche Köpfe schreiben die Historie durch ihre hervorragenden Dienste weiter. Benannt nach dem großartigen Vereinsmäzen und RWE-Macher, der als tüchtiger Geschäftsmann und wohlwollender Funktionär die goldene Zeit der Hafenstraße prägte, wird die Auszeichnung fortan zu jeder neuen Saison verliehen.“

Aktuelle Projekte wie der Helmut-Rahn-Platz

Die GMS-Initiative hat in diesem Jahr einen Antrag zur Umbenennung des Sulterkamps in Georg-Melches-Straße gestellt, um auch so den Vereinsgründer, Spieler, Funktionär und Mäzen von Rot-Weiss Essen in der Erinnerungskultur der Stadt wachzuhalten. Erfolgreich war man bereits mit einer Eingabe zur Aufstellung eines Straßenschilds an der Helmut-Rahn-Skulptur, die vor der Tribüne „Alte West“ steht. Der Bereich in der Breite der Tribüne bis zum angrenzenden Parkplatz P2 heißt seit Oktober 2018 offiziell „Helmut-Rahn-Platz“. Die Stadt Essen hatte allerdings bis 2022 vergessen, ein Straßenschild aufzustellen. Die GMS-Initiative wandte sich daher an das zuständige Stadtamt und klärte bei einem Ortstermin mit Vertretern der Stadt und von RWE die Standortfrage für das zu errichtende Straßenschild. Eine weitere Idee befasst sich mit der Aufstellung einer Informationstafel vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Melches an der Hafenstraße 270.

Unterstützen kann man die GMS-Initiative durch den Kauf von Magneten oder Glasbildern mit Motiven aus der RWE-Geschichte, die sie auch in der Herzenshütte an zwei bis drei Tagen während der Aktionstage von Vereinen und Verbänden des Essener Weihnachtsmarks anbieten.

Und auch die Einrichtung eines Fanfriedhofs geht auf die GMS-Initiative zurück. Als im März 2018 die Belegungszeit der Melches-Gruft auf dem Matthäusfriedhof ablief, traf es sich gut, dass der Friedhofsgärtner nicht nur begeisterter RWE-Fan ist, sondern auch zusicherte, das Grab weiterhin pflegen zu wollen. Gemeinsam mit der Evangelischen Kirchengemeinde Essen-Borbeck-Vogelheim entwickelte die GMS-Initiative eine Idee, wie die Grabstelle dauerhaft unentgeltlich bestehen bleiben kann.

Ein Georg-Melches-Grabfeld für Urnen direkt hinter der Gruft der Familie Melches und das Gräberfeld 1907 für Erdbestattungen auf dem parallel verlaufenden Nebenweg sichern die Zukunft der Grabstelle der Familie Melches. Rot-Weiss Essen ist damit der einzige Verein in Deutschland, bei dem die Fans direkt neben dem Vereinsgründer ihre letzte Ruhestätte finden können.

Zehn Jahre GMS-Initiative – Rot-Weiss Essen
Georg Schrepper und Detlev Jaritz von der GMS-Initiative nach der Aufstellung des Straßenschilds Helmut-Rahn-Platz. (Foto: RWE)

Ein Beitrag unseres ehrenamtlichen Vereinshistorikers Georg Schrepper.